Bei geselligen Gesprächen in der Schützenstube, aber auch im erweiterten Umfeld der Schützen, stand immer wieder die Frage in der Runde: Wie und wo hat sich das Schiesswesen in den Gemeinden Wallisellen und Rieden - ab 1917 ist Rieden bei Wallisellen eingemeindet - entwickelt. Die älteren Schützen konnten jeweils aufgrund von Jubiläen, speziellen Ereignissen etc. etwas Licht in die Vergangenheit des Schiesswesens in Wallisellen einbringen. Aber dokumentierte Unterlagen über die Historie fehlten und so entstand bei mir der Wunsch zur Erstellung einer Dokumentation über das Schiesswesen in den Gemeinden Wallisellen und Rieden. Mit erheblicher Unterstützung von MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung konnte mit grossem Zeitaufwand die Vergangenheit bis zur Gegenwart der Schiessanlage ‚Tambel‘ erstellt werden.
Erste Aufzeichnungen
Hand in Hand mit der Entwicklung der Feuerwaffen bildete die Pflege des Schiesswesens eine wichtige Massnahme zur Hebung der Wehrkraft. Zu diesem Zweck wurden in den damaligen Vogteien Schiessplätze bestimmt und ihnen die umliegenden Dörfer zugewiesen. Im 17. Jahrhundert übten auf dem Schiessplatz in Bassersdorf gemeinsam die aufgebotenen Büchsenschützen von Rieden, Wallisellen, Dietlikon und Bassersdorf. Mit der wachsenden Zunahme der Bevölkerung und der zunehmenden Büchsenschützen stellte sich auf dem Schiessplatz Bassersdorf ein Platzmangel ein, so dass eine Vermehrung der Zielstätten notwendig wurde. 1649 spalteten sich die drei Gastgemeinden ab und errichteten ein Schützenhaus in Dietlikon. Zum Abhalten der Übungen war jede Gemeinde verpflichtet einen Schützenmeister zu stellen. Gemäss Chronik verschwindet 1737 der Walliseller Schützenmeister, so dass angenommen werden muss, dass die Walliseller-Schützen nunmehr einen eigenen Schiessplatz zur Verfügung hatten. Aber wo war der Schiessplatz? Auf alle Fälle erfüllten 1768 die 84 Walliseller-Schützen ihre Schiesspflicht auf eigenem Boden.
1871 aus dem Gemeinderatsprotokoll Wallisellen
Die Eidgenössische Militärorganisation von 1852 nahm die Gemeinden in die Pflicht, geeignete Übungsplätze zur Verfügung zu stellen. Das Aufhängen von Scheiben hatten jedoch die Schützen selber zu besorgen. Die ersten Schiessplätze waren einfach gestaltet. Für den Schützenstand war meistens nichts vorzukehren, da privater Grund und Boden benutzt werden musste. Die Übungen fanden vom Frühjahr bis zum Herbst jeweils an Sonntag-Nachmittagen statt und zwar zu Zeiten, in denen der Kultur nicht geschadet werden konnte. Über den ersten gemeindeeigenen Schiessplatz in Wallisellen findet man im Gemeinderatsprotokoll vom 18. April 1871 die Aufzeichnung: Auf das Gesuch des Schiessvereins Wallisellen wegen Erstellung eines Schiessplatzes antwortete der Gemeinderat, es könne das Schiessen vom Bahnhof zum Guggenbühlbuck nicht bewilligt werden. Er wies den Verein darauf hin, dass vielleicht am Langwiesenweg (nördlich des Hertigebietes) Möglichkeiten bestünden. Die Schützen waren nicht müssig und organisierten am 8. Oktober 1871 ein ‚Grümpelschiessen‘ im Herti, unweit der alten Winterthurerstrasse. Die Scheiben hingen am Riedgraben, Richtung Seebach. Geschossen wurde mit Vetterli-Repetiergewehren, die fünf bis sechs Schüsse pro Minute zuliessen. Es war damals die fortschrittlichste Armeewaffe auf der ganzen Welt. Die Reichweiten waren aber noch gering und erforderten keine grosse Absicherung des Geländes. Später erfolgte jedoch der Einspruch der Militärbehörden. Der Schiessplatz wurde 1893 in die Breitenäcker verlegt, herwärts des Hardwaldes und 1900 mit einem Scheibenhaus versehen.
1862 Gründung des Schiessvereins Wallisellen (SVW)
Von patriotischem Geist beseelt sind auch jene Vereine, die der Schiesstätigkeit huldigten. Der älteste von ihnen ist der Schiessverein Wallisellen, reicht doch seine Gründung ins Jahr 1862 zurück. Für ihn ist seit jeher nicht das Festen Hauptsache gewesen, sondern das Ziel, den Waffenträger ausserhalb des Militärdienstes zum guten Schützen und Vaterlandsverteidiger auszubilden. Seiner Initiative ist auch die 1913 erstellte Walliseller Schiessanlage im Tambel zu verdanken, die noch vor dem ersten Weltkrieg entstand.
Beim Anlass der 75-Jahrfeier seines Bestehens im Jahre 1937 übertrug man dem SV Wallisellen die Durchführung des Eidg. Feldsektionsschiessens für die Vereine des oberen Bezirksteils. Veranlasst durch das stete Wachsen des Vereins und der damit verbundenen Einschränkungen im Schiesstraining - der Scheibenstand zählte nur 10 Zugscheiben - traten im Jahre 1921 etwa 30 Mitglieder aus und gründeten den Militärschützenverein bzw. die Schützengesellschaft Wallisellen.
1876 Gründung des Schiessvereins Rieden (SVR)
Nach der Gründung des Schiessvereins Rieden 1876 lösten sich die Riedener von Dietlikon und errichteten im Schäfligraben in Schussrichtung Engenbüel ein Provisorium. In Rieden postierten sich 1877 die Schützen im Schäfligraben, an der Stelle, wo er mit dem parallel laufenden Seltenbach (heute eingedeckt) scharf gegen Nordwesten abbiegt. Geschossen wurde Richtung Engenbüel. Weil die Distanz nicht 300 Meter erreichte, musste der Platz aufgegeben und ins Ried, unterhalb des Brandenberges verlegt werden. Es wurde somit das Gebiet des heutigen Hörnligrabens überschossen. Hier war das Schiessen auf allen drei vorgeschriebenen Distanzen - 225 / 300 / 400 Meter - ohne Hindernis möglich. Die Hochrüti (Sportanlage) bot jedoch zu wenig Sicherheit gegen das Überschiessen (Blenden vor dem Schützenhaus kannte man damals noch nicht), sodass 1906 die Militärbehörde die weitere Benutzung der Anlage verbot. Hierauf schossen die Riedener von den Erlen (Erlenholzstrasse) südwärts Richtung Rütiäcker und erstellten 1910 einen kleinen Zugscheibenstand, bis sie 1911 auf den Schiessplatz der Walliseller in den Breitenäckern (Schussrichtung Hardwald) verwiesen wurden. Der Schiessverein Rieden verfolgte den gleichen Zweck wie sein ‚Namensvetter‘; ihm wurde im Jahre 1951 anlässlich der Feier des 75jährigen Bestehens und der damit verbundenen Fahnenweihe die Durchführung des Bezirksschiessens übertragen.
1893 – 1912 Schiessanlage in den Breitenäckern
Wie bereits erwähnt, musste auf Weisung der Militärbehörde der Schiessplatz in der Herti 1893 in die Breitenäcker (Hardstrasse) verlegt werden. 1900 wurde ein kleines Scheibenhaus am südlichen Rand des Hardwaldes (südwestlich des heutigen Opfikoner Reservoirs) erstellt. Später standen dort, und dies während vieler Jahre, die Bienenhäuser des dorfbekannten Organisten Näf. Geschossen wurde aus einem provisorisch erstellten Schopf an der Weggabelung Hard-/Schützenstrasse. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung stieg auch jene der Schiesspflichtigen. Die leistungsfähigen Langgewehre 1889/91 und des neuen Karabiners 1911 verlangten erhöhte Sicherheitsvorschriften. Ein weiterer Betrieb wurde noch geduldet bis eine neue Anlage zur Verfügung stehen würde. Während der Jahre 1911 und 1912 liess der Gemeinderat durch Fachexperten mehrere Standorte beurteilen. Die Wahl fiel auf das Gelände Seewadel/Tambel. 1913 konnte die recht komfortable Anlage eingeweiht werden. Für die damals noch verlangte Distanz von 400 Meter mussten die Schützen freilich im freien Feld auf der Kuppe des Tambels ihre Liegendposition einnehmen und am Schützenhaus rechts vorbeischiessen.
links: Schiessplatz im Breitenacker, rechts: Schiessanlage Seewadel/Tambel
1913 Neubau der Anlage im Seewadel/Tambel
Der Bau erfolge ab Herbst 1912. Der Scheibenstand - am Nordrand des Seewadels - umfasste 10 Zugscheiben in einem Graben, der gedeckt und abgeschlossen werden konnte. Das Schützenhaus enthielt 10 Läger und war für damalige Verhältnisse geräumig. Es konnten alle drei Stellungen stehend, kniend und liegend geschossen werden. Für die vorgeschriebene Distanz 400 Meter schoss man östlich am Schützenhaus vorbei. Die Schützen lagerten auf der Anhöhe des Tambels, wo heute das neue Reservoir steht. 1922 wurde der Pistolenclub gegründet. An der Nordwestecke des Schützenhauses vor der Schützenstube wurde eine Holzbaracke angebaut, die als Pistolenstand benützt wurde. Geschossen wurde auf vier Scheiben auf die Distanz 50 Meter. Es musste ein neuer Wall sowie ein Scheibengraben erstellt werden.
1942 Planung für die Erweiterung der 300 und 50 Meter Anlagen
Schon vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges zeigte sich, dass eine Erweiterung und ein Ausbau der bestehenden Anlagen nicht zu vermeiden war. Am 19. März 1942 bewilligte die Gemeindeversammlung einen Kredit von Fr. 56‘000.-- für 24 Zugscheiben und für die Vergrösserung des Schützenhauses. Die drei Walliseller 300-Meter Vereine erhielten je ein eigenes Büro. Der Ausbau erfolgte erst 1946, also nach dem 2. Weltkrieg. Im 1949 wurden die alten 10 Scheibenzüge erneuert und die ganze Anlage mit einer Signalanlage ausgerüstet. Gleichzeitig wurde die Pistolenanlage auf 7 Scheiben erweitert. Die Schützenstube wurde unterkellert und dort der Stand für die Pistolen- und Kleinkaliberschützen eingerichtet.
1970 Neues Projekt des Gemeinderates
Die Schützen waren sich stets bewusst, dass die Ausübung ihres traditionellen Sportes für die immer näher heranrückenden Wohnquartiere Schäfligraben, Engenbüel etc. störend wirkte. Mit einem Erdwall auf der Ostseite bekundete der Gemeinderat 1973 die Absicht einen Lärmschutz zugunsten der Wohnquartiere zu bauen. Wenig später wurde aber von der Regionalplanungskommission Glattal die Absicht veröffentlicht, bei den Kiesgruben ‚im Gubel‘, Bassersdorf, eine Regionalschiessanlage mit den Gemeinden Dietlikon, Bassersdorf, Nürensdorf und Wallisellen zu erstellen. Ab 1975 wurde auf die Planung ‚Gubel‘ gesetzt. Damit begann eine leidvolle Geschichte bezüglich Planung mit schwerwiegenden Mängel, Finanzierung, Austritt der Gemeinde Bassersdorf aus dem Zweckverband, Einschaltung der Rechtsinstanzen bis zum Bundesgericht mit Urteil vom 12. Oktober 1983 dass die Gemeindeautonomie höher zu bewerten sei und deshalb der Austritt Bassersdorf aus dem Zweckverband rechtens sei.
1987 Neues Projekt
Es ist dem Gemeinderat Wallisellen hoch anzurechnen, dass er vor diesem Scherbenhaufen nicht resignierter und bald wieder nach neuen Lösungen suchte. 1984 orientierte der Gemeinderat über einen möglichen Standort beim ‚Dreispitz’ (Forsthaus Hardwaldverbund) mit Schussrichtung nordwärts in einer Schneise Richtung Hardwald. Die anschliessende Vernehmlassung brachte ein negatives Ergebnis und das Projekt wurde aufgegeben. Darauf folgte die Möglichkeit für einen Neubau am alten Standort zu prüfen. Die Planungskommission legte in der Folge ein sehr umfassendes Grossprojekt vor mit einem Lärmschutzwall auf der Ostseite über die ganze Distanz von 300 Meter. Dem Umweltschutzgesetz hätte das Projekt voll entsprochen. Der Immissionsgrenzwert von 60 dB in den angrenzenden Wohnquartieren hätte eingehalten werden können. Hingegen die sehr hohen Kosten von ca. 8.4 Millionen Franken fanden bei der Urnenabstimmung am 21. Juni 1987 keine Zustimmung bei der Bevölkerung. Fazit: Der Gemeinderat und die Walliseller- Schützen standen wieder vor dem Nichts.
1988 Sanierung der bestehenden Schiessanlage
Unter dem Druck der Situation musste der Gemeinderat sofort ein neues Konzept erarbeiten, in dem die Sanierung der 300 Meter Anlage Vorrang hatte. An der Gemeindeversammlung am 9. Dezember 1987 (Anwesend waren 592 Personen) wurde dem Kreditantrag von Fr. 670‘000.-- klar zugestimmt. Nachdem die Sanierung der 300 m Anlage die Hürde schaffte, waren wieder verschiedene Sitzungen notwendig für eine Kurzdistanz-Vorlage verbunden mit dem Neubau einer Schützenstube. Am 29. Juni 1988 wurde an der Gemeindeversammlung (Anwesend waren 528 Personen) für die Kurzdistanzanlage dem Kredit von Fr. 1.02 Millionen und ein Anteil für die Schützenstube von Fr. 250‘000.-- zugestimmt. Den fünf Vereinen verblieb für den Innenausbau eine Eigenleistung von ca. 300‘000.-- Franken.
Gründung des Schützenstubenrates (SSR)
Ein neues Kapitel in der langen Geschichte der Walliseller Schiessvereine wurde am 20. Juli 1988 begonnen. Vertreter der fünf Vereine: Schiessverein Wallisellen, Schiessverein Rieden, Schützengesellschaft Wallisellen, Pistolenclub Wallisellen und Sportschützengesellschaft Wallisellen trafen sich im Restaurant Doktorhaus um die Zusammenarbeit für den Innenausbau sowie für den späteren Betrieb der Schützenstube zu vereinbaren. Am 11. Oktober 1988 wurden die Statuten für die Dachvereinigung im Restaurant Linde genehmigt und somit war der Schützenstubenrat aus der Taufe gehoben und konnte seine Tätigkeit aufnehmen. An der gleichen Sitzung wurde die Vereinbarung zwischen der Gemeinde und den fünf Schützenvereinen unterzeichnet.
1989 Einweihung der sanierten Anlage
Am Samstag/Sonntag, 15./16. Juli 1989 fand die Einweihung der sanierten Anlage statt. Gemeindepräsident Paul Remund verkündete in seiner Ansprache die Freude, dass die Gemeinde ein Werk, welches viele Jahre der Planung - verbunden mit Erfolgen aber auch grossen Misserfolgen - den Schützen von Wallisellen übergeben könne. Am Abend lud die Gemeinde zu einem Volksfest im grossen Zelt auf der Tambelwiese mit Darbietungen von Vereinen und musikalischer Unterhaltung ein. Der Abschluss fand am Montag, 17. Juli 1989 mit der Planung und Durchführen des 5. Zürcher Ratsherrenschiessens auf der neuen Anlage statt.
Bis zum heutigen Tag erfüllt die sanierte Anlage die Bedürfnisse der Schützenvereine von Wallisellen. Zwischenzeitlich wurde mit erheblichem Aufwand - Einbau von Kugelfangsystemen bei den drei Distanzen, elektronische Trefferanzeige 50 Meter und Ersatz der elektronischen Trefferanzeige 300 Meter - die Anlage auf dem neuesten technischen Stand gehalten. Willi Rathgeb.
Quellen:
Erster bekannter Schiessplatz aus der Chronik ‚Rieden, ein Dorf verschwindet und lebt doch weiter‘ von Albert Grimm zur 100 Jahr Feier der Gemeinde Wallisellen 2016.
Geschichte der Gemeinde Wallisellen; Chronik 1952
Aus der Chronik des Schützenstubenrates (SSR) 1990
Aktualisiert am 05.05.2018 / PDF zum Herunterladen
Aktualisiert am 29.11.2022 / Historie in Kurzform / PDF zum Herunterladen